Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer heutigen „Mahnwache für den Frieden“.
Danke, dass Ihr so kurzfristig die Zeit gefunden habt, an dieser Mahnwache teilzunehmen.
Putins brutaler Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns am Donnerstag Morgen – auch wenn die Zeichen schon seit Wochen auf Sturm stehen – alle sehr erschüttert und nach den langen Jahren relativer Sicherheit und Stabilität große Ängste zur Zukunft Europas in uns ausgelöst.
Wie viele Tote die Ukraine zu beklagen hat, darunter Soldaten wie Zivilisten, kann derzeit nicht zuverlässig gesagt werden. Russische Panzer rollen durchs Land, Raketen zerstören ukrainische Existenzen, fordern Menschenleben. Alle Menschen in der Ukraine sind derzeit in Lebensgefahr.
Wir sehen unsere Mahnwache als ein Zeichen der Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, die unschuldig diesem Angriffskrieg ausgesetzt ist, die – wie in Kiew – die Nächte in U-Bahn-Stationen verbringt, um sich vor Bomben zu schützen. Mehr als 100.000 Menschen befinden sich bereits auf der Flucht, die Ausfahrtsstraßen von Kiew sind voller Staus, viele Menschen überqueren die Grenze nach Polen zu Fuß. Männer zwischen 18 und 60 Jahren dürfen das Land nicht mehr verlassen. Außer Lebensmittelgeschäften und Apotheken haben keine Geschäfte und Restaurants mehr geöffnet. Vor den Geldautomaten stehen lange Schlangen, die Geldautomaten geben aber kein Geld mehr aus. In den meisten Geschäften funktionieren die Geldkarten nicht.
Wir unterstützen auch die Mutigen in Russland, die dort in vielen Städten auf die Straße gehen, um gegen den Angriffskrieg ihres Präsidenten zu demonstrieren und – im Gegensatz zu uns – damit riskieren, verhaftet zu werden. Nach Angaben von Aktivisten wurden bis gestern Abend in 51 Städten 1.400 Demonstranten festgenommen.
Wir wünschen den europäischen Regierungen, besonders der neuen deutschen Regierung, die ein schweres Erbe übernommen hat, Besonnenheit und kluge Entscheidungen.
Krieg war, ist und wird niemals eine Lösung sein. An keinem Ort, zu keiner Zeit.
Für unsere heutige Mahnwache haben sich bei uns bisher noch keine Redner angekündigt. Herr Pfarrer Buß wird ein Gebet sprechen. Wenn sich Teilnehmerinnen oder Teilnehmer zu Wort melden möchten, setzen Sie sich bitte mit uns in Verbindung.
Es waren etwa 300 bis 400 Menschen in Fulda auf dem Universitätsplatz, die gegen den russischen Überfall auf die Ukraine protestieren und an der Mahnwache für den Frieden teilnehmen wollten – und das bei ganz schlechtem Wetter.
Zu Beginn sprach die stellvertretendes Vorsitzendes von FSSQ ein paar einleitende Worte zum Krieg und der aktuellen Situation in der Ukraine. Dann betete Pfarrer Buß für den Frieden.
Danach war das Mikro offen für alle, die spontan etwas sagen wollten, wie z.B. jede Russin, die seit 30 Jahren in Deutschland lebt und mit einem Deutschen verheiratet ist. Sie habe ihre russische Staatsbürgerschaft bis heute behalten und Putin gegenüber ihrem Mann immer verteidigt, aber jetzt sei Schluss und sie werde ihre russische Staatsbürgerschaft abgeben. Neben einigen Russ*innen und Ukrainer*innen sprachen Sabine Waschke (MdL), Knut Heiland (Stadtverordneter) und Markus Hofmann (MdL) zu den Anwesenden.
Den Anfang macht aber Angelina, eine junge Russin, die mit ihrer Familie in Deutschland lebt. Ihre Rede dokumentieren wir hier im Wortlaut:
„Gestern morgen bin ich von einer Nachricht von meiner Mutter aufgewacht. Ich sollte doch die russische Flagge aus meiner Instagraminfo rausnehmen, weil es eine Schande sei, sich heutzutage als Russin bekannt zu geben.
Daraufhin habe ich sofort ein Statement aufgeschrieben, das ich heute gerne vorlesen wollen würde.
Meine Geschichte mit der Ukraine ist, wie für viele Russen, sehr persönlich. Allein hier in Deutschland haben wir eine wundervolle osteuropäische Gemeinschaft, die auf Loyalität, Zusammenhalt und Akzeptanz basiert. Ich wurde von ukrainischen Kindern, Eltern, Tanten und Onkeln wie ihre eigene Tochter, Cousine oder Schwester aufgenommen. So wie meine Eltern alle ukrainischen, polnische und anderen Kinder, die ich befreundet habe, wie ihre eigenen aufgenommen haben. Es war egal, wer wir waren. Wenn du aus dem Ostblock kamst, warst du Familie.
Dass ein Mann wegen seiner Geld- und Machtgier alles für uns zerstört hat, ist für mich immer noch unfassbar. Ich finde es schlimm, dass meine kleine Schwester, die sieben ist und acht wird, diese Solidarität höchstwahrscheinlich wegen einem Mann nicht mehr miterleben kann.
Mir tut das Herz weh für alle Russen, die draußen auf den Straßen protestieren und abgeführt werden, weil Sie sich gegen einen Krieg entschieden haben, den Sie gar nicht wollten. Niemand sollte dafür abgeführt werden, dass er sich gegen einen Krieg entscheidet.
Wir können unsere Meinung nicht frei sagen. Seit Nawalny sollte jedem bekannt sein, dass Russen sich ständig gegen Putin stellen, aber wir auf taube Ohren fallen. Ich weiß gar nicht, was wir noch machen können.
Ich schäme mich dafür, dass ich für immer mit so einem Mann assoziiert werde, den ich nicht gewählt habe, und dass er unsere Schwestern und Brüder angreift. Ich schäme mich dafür, dass er Geld und Macht über die Freundschaft der ukrainischen Seele stellt.
Ich hoffe, dass die Sanktionen gegen Russland etwas bewirken können, ich hoffe, dass Ukraine stark bleibt, und ich hoffe, dass wir weiterhin Solidarität unseren ukrainischen Mitbürgern zeigen. Denn meine Eltern haben mich dazu erzogen, jeden zu akzeptieren, jedem zu helfen und für die zu stehen, die es im Moment nicht können.
Denn das sind wahre Russen. Wir sind keine Diebe, wir sind keine Betrüger und vor allem stechen wir nicht unserer Familie in den Rücken.
Wahre Russen stehen dafür ein, was Ihnen wichtig ist. Und unsere Mitmenschen sollten uns wichtig sein.“
Weitere Fotos von Walter Rammler u.a. gibt es in unserer Fotogalerie (…hier)