Der Verein „Fulda stellt sich quer“ (Fssq) erinnert an die Selbstenttarnung der NSU vor 10 Jahren und kritisiert das hessische Innenministerium. „Von 2000 bis 2007 begann das Neonazi-Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zehn Morde und weitere Anschläge. Aufgeklärt wurden die Taten erst, nachdem sich die einen selbst töteten und Zschäpe sich stellte. Aus unserer Sicht wurde seitdem viel zu wenig vom hessischen Innenministerium unternommen, um die Taten und die Hintermänner aufzudecken“, sagte Vereinsvorsitzender Andreas Goerke in Fulda.
An der Arbeit der Ermittlungsbehörden habe es zu Recht viel Kritik gegeben: Zunächst wurden die Opfer selbst verdächtigt, beim Verfassungsschutz gab es zahlreiche Pannen im Umgang mit V-Männern, wichtige Akten wurden geschreddert. Auch wenn die Sicherheitsbehörden beim Thema Rechtsterror nach eigenen Angaben inzwischen aufmerksamer seien, schließe der Verein ähnliche Versäumnisse in Zukunft nicht aus.
„Auch nach einem sechsjährigen Mammutprozess und etlichen Untersuchungssausschüssen in Bund- und Länderparlamenten ist trotz Hinweisen nicht geklärt, ob es Helfer gab und welche Rolle sie bei den Taten der NSU spielten. Auch fühlen sich Opfer und Angehörige mit vielen Fragen weiterhin alleine gelassen“, so Andreas Goerke. Das Versprechen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, alle Täter zu fassen, sei nicht erfüllt. Als Gründe sieht Fssq vor allem das Problem der Verwicklungen der Geheimdienste, der Verfassungsschutzorgane, der Mitwisserschaft und auch die Aufklärung über die Unterstützernetzwerke des NSU. Andreas Goerke: „Wir müssen davon ausgehen, dass diese bis heute bestehen. Diese Aufklärung seitens des hessischen Innenministeriums steht auch zehn Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU immer noch aus. Mehr noch: Hessen blockiert eine Aufklärung. Innenminister Beuth ist für uns nicht länger tragbar.“
Hessens schwarz-grüne Landesregierung lehne es ab, interne Verfassungsschutzakten zu der Mordserie des rechtsextremen NSU offen zu legen. Eine von mehr als 134.000 Menschen unterschriebene Petition, die mehr Transparenz fordert, haben die Grünen im Landtag gestoppt. „Unverständlich ist für uns die Haltung der hessischen Grünen. Ihr Umgang mit den NSU Akten ist intransparent, instinktlos und unklug. Mit ihrer sturen Beamtenlogik konterkarieren sie, wofür die Grünen stehen wollen: für einen transparenten Rechtsstaat, für Kampf gegen Rechtsextremismus und für ein offenes Ohr gegenüber migrantischen Menschen“, erklärt Andreas Goerke.
Der 21jährige Halit Yozgat wurde im April 2006 in Kassel in einem Internetcafé vom NSU erschossen, ausgerechnet ein Mitarbeiter des Geheimdienstes war am Tatort. Warum, ist bis heute unklar? Die Landesregierung argumentiere, dass die Offenlegung die V-Leute in der rechten Szene gefährden könne, dass sie den falschen Leuten in die Karten spiele, etwa der AfD und sie führen an, dass ja auch Landtagsabgeordnete der Opposition die Akten vollständig einsehen konnten, etwa solche, die in der Parlamentarischen Kontrollkommission sitzen, die den Landesverfassungsschutz kontrolliert.
„Ihre Argumente gehen am Kern vorbei. Es müssten ja nicht alle Akten – tausende Seiten – veröffentlicht werden, sondern nur ein aussagekräftiger Teil. Einer Gefährdung von V-Leuten ließe sich vorbeugen, etwa indem Textstellen geschwärzt würden. Hessens Grüne glauben, im Interesse des Rechtsstaates zu handeln. Aber dem Staatswohl wäre bei einem so fürchterlichen Fall mit Transparenz mehr gedient als mit ängstlicher Geheimhaltung“, so Goerke weiter. Es sei zudem nicht das erste Mal, dass die hessischen Grünen Regierungslogik mit kluger Politik verwechseln. So hätten sie sich 2014 bei der Abstimmung über einen NSU-Untersuchungsausschuss enthalten.
„In Zukunft sind wir alle gefragt, rassistische Vorurteile und Anfeindungen mutig entgegenzutreten und die Abwertung von Menschen nicht schweigend geschehen zu lassen, egal ob am Arbeitsplatz, unter Freunden oder am Kaffeetisch mit der Familie. Halle, der Mord an Walter Lübcke, die Morde in Hanau, rechtsextreme Gruppen in der Polizei, NSU 2.0 und die rechtsextreme Politik machen mehr als deutlich, dass es im hessischen Innenministerium drunter und drüber geht. Fssq fordert die Öffnung der NSU in Hessen, die Aufklärung und Aufarbeitung der Fehler in Hanau und weitere Förderung von Projekten gegen Rechtsextremismus. Und auch ein Rücktritt von Innenminister Beuth ist aus unserer Sicht unvermeidbar“, sagte Andreas Goerke für den Verein „Fulda stellt sich quer“ abschließend.